Pränataldiagnostik – Was ist das?

© 2017 – Dr. Gerhard Endl


Unter PRÄNATALDIAGNOSTIK ( PND ) versteht man vorgeburtliche (= pränatale) Untersuchungen, um Hinweise auf mögliche Auffälligkeiten, Abweichungen und Störungen in der Entwicklung des ungeborenen Kindes frühzeitig zu erkennen.

Sie sind zusätzlich zu den 5 Standarduntersuchungen im Mutter-Kind-Pass als darüber hinausgehendes medizinisches Angebot zu verstehen.

PND – Untersuchungen müssen entsprechend der Entwicklungsdynamik des Kindes innerhalb bestimmter Zeitfenster im Verlauf einer Schwangerschaft durchgeführt werden. Daher kommt die Bezeichnung ERST-Trimesterscreening (Schwangerschaftswoche 12 – 14) und ZWEIT-Trimesterscreening = ORGAN-Screening (Schwangerschaftswoche 20 – 24).

Man unterscheidet NICHT INVASIVE risikolose und INVASIVE ( mit einem kleinen Eingriffsrisiko verbundene Punktionen ) Untersuchungsmethoden.

ERSTTRIMESTER-Screening (Schwangerschaftswoche 12 -14)

Dabei wird vorwiegend nach genetisch bedingten und schweren organische Anomalien gesucht. Die allermeisten Kinder werden gesund und ohne Behinderung geboren. Allerdings besteht bei Schwangeren jeden Alters ein kleines Risiko, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen. Dieses Risiko nimmt statistisch mit dem Alter der Mutter zu.

Eine der häufigsten Ursachen ist das DOWN-Syndrom, bei dem der Fetus ein überzähliges 3.Chromosom Nr. 21 besitzt – deshalb auch die Bezeichnung TRISOMIE 21. Diese macht weit über 50% aller genetisch bedingten geistigen Behinderung bei Lebendgeborenen aus.

Der einzige Weg, den ursächlichen Fehler in den Chromosomen (Teil des Erbgutes) zu entdecken, ist eine INVASIVE Untersuchung mit PUNKTION des Mutterkuchens oder des Fruchtwassers. Dabei werden Zellen gewonnen, die mit den Zellen des Fetus genetisch ident sind. Beide Methoden bedeuten aber ein kleines Risiko für eine folgende Fehlgeburt (0,5 – 1 %). 0,5% Risiko bedeutet, es kommt in Folge einer derartigen Punktion einmal in 200 Fällen zu einem Abortus. Für eine 100%ige Testsicherheit muss also ein kleines Eingriffsrisiko in Kauf genommen werden.

Daher wurden sogenannte SCREENINGTESTS entwickelt zur Erfassung des individuellen Risikos, die in der 12. – 14. Schwangerschaftswoche – ohne den Fetus zu gefährden – zur Anwendung kommen können.


Zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit einer Trisomie werden folgende Parameter herangezogen:

  1. Das ALTER der Mutter
  2. Die Dicke der NACKENHAUT (Nackentransparenz) des Feten
  3. Die Konzentration von 2 Plazentahormonen im mütterlichen Blut

Alle Kinder haben etwas Flüssigkeit unter der Nackenhaut (Nackenfalte), beim Fetus mit DOWN-Syndrom ist diese in 75% der Fälle erkennbar vermehrt und dadurch die Nackenhaut verdickt.

Die Kombination dieser 3 Parameter wird als COMBINED TEST bezeichnet. Er ist mit einer Entdeckungsrate von ca. 90% am effektivsten und derzeit der am häufigsten angewandte Screeningtest.

Beim Ultraschall im Rahmen des Combined Tests werden als zusätzliche Marker zur Risikobewertung auch das Nasenbein und der Blutfluss im kindlichen Herzbereich untersucht. Als Ergänzung können die noch unreife Anatomie von Herz, Schädel und Gehirn, Wirbelsäule, Arme, Beine, Bauchdecke, Zwerchfell, Magen und Harnblase sowie Mutterkuchen, Nabelschnur und das Fruchtwasser überprüft werden.

Mittels einer in intensiver Forschung entwickelten Algorithmus- Software wird aus diesen Parametern das statistisch wahrscheinliche Risiko individuell für das jeweilige Kind berechnet. Das heißt aber auch, ein berechnetes niedriges Risiko schließt eine Chromosomenanomalie nicht mit absoluter Sicherheit aus.

Ein mittleres Risiko (intermediate risk = 1:1000) bedeutet, dass von 1000 schwangeren Frauen 999 ein genetisch gesundes Kind bekommen werden , ein hohes Risiko (high risk = 1:100) heißt, von 100 schwangeren Frauen werden 99 ein genetisch gesundes Kind bekommen und jeweils nur 1 Frau aus der jeweiligen Gruppe ein durch Gendefekt behindertes  Kind gebären.

10% der Trisomie 21 Fälle bleiben aber unentdeckt! So gut dieser Test ist, er bleibt bloß eine statistische WAHRSCHEINLICHKEITSBERECHNUNG für das individuelle Risiko.

Ergebnisse des Combined Tests, die im statistisch unsicheren Bereich liegen, sollten daher abgeklärt werden durch eine invasive Punktion.

Die neueste Entwicklung in der Pränatalmedizin, der N I P T (Non-Invasiver Pränatal-Test), bietet jetzt eine Alternative im Rahmen der NICHT INVASIVEN Methoden. Seine Treffsicherheit liegt für die Trisomie 21 bei über 99% ! Der NIPT kann daher als Primärtest, aber auch bei auffälligem Combined Test als weiterer Abklärungsschritt (Sekundärtest) herangezogen werden, um eine Punktion vorerst zu vermeiden. Die bisherige Rate der unsicheren Ergebnisse der NICHT INVASIVEN PND kann dadurch deutlich vermindert werden!

Der NIPT nützt hochentwickelte Labormethoden, um aus mütterlichem Blut (also durch eine simple Blutabnahme bei der Schwangeren) KINDLICHE DNA (Erbsubstanz) zu analysieren. Nicht im Zellkern gebundene Einzelteile der Erbsubstanz Ihres Kindes treten schon sehr früh in den Blutkreislauf der Schwangeren über und können in sehr sensiblen Analyseverfahren ab der 11. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt als „fetale Fraktion“ nachgewiesen und untersucht werden.

Mit diesem NIPT können bestimmte Störungen der Erbsubstanz (genetisch bedingte Behinderungen) zu einem sehr hohen Prozentsatz entdeckt werden:

Trisomie 21: 99 %
Trisomie 18: 96 %
Trisomie 13: 91 %

Die Kosten dieses aufwändigen Tests betragen derzeit je nach Institut ca. € 600.-. Das Befundergebnis liegt meist schon nach einer Woche vor.

In manchen Fällen kann der Test kein Resultat liefern. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn zu wenig Erbsubstanz des ungeborenen Kindes („fetal fraction“) in Ihrem Blut vorhanden ist. In diesem Fall kann der Test nach einer neuen Blutabnahme kostenfrei wiederholt werden.

Bitte beachten Sie, dass zur Absicherung eines auffälligen NIPT- Resultates allerdings auch eine zusätzliche Abklärung mittels PUNKTION (Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasserpunktion) erfolgen muss, bevor ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischen Gründen durchgeführt werden darf.


Organscreening = 2.Trimesterscreening : 20.- 24. Schwangerschaftswoche

Eine Reihe anderer Fehlbildungen kann durch die genannten Untersuchungsverfahren im Rahmen des 1.Trimesterscreenings nicht erkannt werden.

Die beste Methode, einen Teil dieser Störungen in der weiteren Entwicklung des Feten weitgehend auszuschließen oder gegebenenfalls zu erkennen und bei der Geburt darauf medizinisch vorbereitet sein zu können ist das ORGANSCREENING. In der Medizin führt normalerweise die Diagnose zu einer Therapie, auch wenn diese nicht immer heilend sein kann, sondern sich oft mit der Linderung von Beschwerden bescheiden muss.

Für die im Erst-Trimesterscreening festgestellten genetischen Defekte gibt es heute praktisch keine therapeutische Option! Daher folgt in diesem Fall nur die Wahlmöglichkeit zwischen der Geburt eines behinderten Kindes oder dem Abbruch der Schwangerschaft.
Beim Zweit-Trimesterscreening werden z.B. die meisten schwerwiegenden Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Spina bifida („offener Rücken“) und andere Organanomalien entdeckt. Diese können dann durch spezielle Untersuchungen genau abgeklärt werden. Daraus ergibt sich der Vorteil, frühzeitig mit entsprechenden medizinischen Maßnahmen bereitzustehen und die weitere Versorgung des Neugeborenen so gut wie möglich zu gewährleisten.  Sehr selten stellt sich auch hier die Entscheidungsfrage zum Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation.

Als Ihr betreuender Arzt möchte ich Sie über die Möglichkeiten und Grenzen der Pränataladiagnostik aufklären, die einzelnen Untersuchungsmöglichkeiten aufzeigen und Sie eingehend informieren.

Selbstverständlich respektiere und akzeptiere ich jede Ihrer daraus folgenden elterlichen Entscheidungen für oder gegen eine Pränataldiagnostik und gegebenenfalls für oder gegen das Austragen eines behinderten Kindes.

Pränataldiagnostik ist keine Garantie für ein gesundes Kind!

Ein vollständiger Ausschluss genetisch oder nicht genetisch bedingter Fehlbildungen oder Entwicklungsstörungen ist durch eine pränataldiagnostische Untersuchung nicht möglich.

97% aller Kinder kommen ohne Behinderung zur Welt. Von den 3% Normabweichungen kann nur ein Teil durch die Methoden der Pränataldiagnostik festgestellt werden. Der Rest bleibt unentdeckt oder hat seine Ursache in Geburtskomplikationen.

Falls Sie sich für pränatal diagnostische Untersuchungen entscheiden, stellen Ihnen meine Assistentinnen gerne Adressen von anerkannten zertifizierten und spezialisierten Instituten, die diese Untersuchungen durchführen, zur Verfügung.

Als Schwangere haben Sie zu diesen Themen Anspruch auf ausführliche und kostenfreie Gespräche in Beratungsstellen, wo Sie auch Unterstützung bei der Entscheidungsfindung und Begleitung bei persönlichen Unsicherheiten und Ängsten bekommen.


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